Pflegehelferin ermordet vier behinderte Menschen | Oberlinhaus
Triggerwarnung: Im nachfolgenden Fall wird eine Gewalttat näher beschrieben, die für manche Menschen – vor allem für die, die bereits Gewalt erfahren haben – zu einem wiederholten Erleben der traumatischen Situation führen kann.
Eine Mitarbeiterin ermordet am 28.04.2021 im Oberlinhaus in Potsdam (Brandenburg) vier Menschen mit Behinderung und verletzt eine weitere schwer. Sie wird zu 15 Jahren Haft und der Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik verurteilt. Revision wird nicht eingelegt.
Eine Kündigungsschutzklage und Schadensersatzforderung der Täterin werden abgelehnt.
Angehörige bemängeln Pflegezustände in der Einrichtung, Mitarbeiter*innen sprechen von Personalmangel.
Die Einrichtung arbeitet den Vorfall mittels einer Expert*innenkommission auf. Zusätzlich wurden Mitarbeiterinnen und Bewohner*innen anonym durch einen externen Dienstleister befragt. Der Heimleitung des Oberlinhauses wurde ebenfalls gekündigt.
(Stand: Dezember 2024)
Allgemeine Informationen
- Aktenzeichen
- 21-04-28-01-04-01
Gewalt
- Häufigkeit
- einmalig
- Wann?
- 28.04.2021
- Gewaltformen
-
- Körperverletzung
- Mord
- physische Gewalt
- Fazit
-
Die ausgeübte Gewalt wird beschrieben als schwere Körperverletzung, Mord, versuchter Mord und Misshandlung.
Betroffene*r
- Recherche abgeschlossen?
- Ja
- Anzahl
- 5
- Fazit
-
Alle Betroffenen werden als mehrfachbehindert beschrieben. Drei der vier Ermordeten waren vollständig gelähmt, eine Person halbseitig.
1. Betroffene*r
- Recherche abgeschlossen?
- Ja
- Persönliche Merkmale
-
- Alter
- 42
- Geschlecht
- Weiblich
- Hilfe / Unterstützung
- stationär
- Behinderung / Beeinträchtigung
-
- Mehrfachbehinderung
- Mobilitätseinschränkung
- Auswirkung(en) der Gewalt
- Tod
- Fazit
- Die Betroffene war nach einem schweren Autounfall mehrfach behindert. Sie hat zwei Söhne und lag zum Tatzeitpunkt im Wachkoma.
2. Betroffene*r
- Recherche abgeschlossen?
- Ja
- Persönliche Merkmale
-
- Alter
- 31
- Geschlecht
- Weiblich
- Hilfe / Unterstützung
- stationär
- Behinderung / Beeinträchtigung
-
- Blindheit / Sehbehinderung
- Lernschwierigkeit
- Mehrfachbehinderung
- Mobilitätseinschränkung
- Auswirkung(en) der Gewalt
- Tod
- Fazit
- Die Betroffene hatte eine frühkindliche Hirnschädigung.
3. Betroffene*r
- Recherche abgeschlossen?
- Ja
- Persönliche Merkmale
-
- Alter
- 56
- Geschlecht
- Männlich
- Hilfe / Unterstützung
- stationär
- Behinderung / Beeinträchtigung
-
- Lernschwierigkeit
- Mehrfachbehinderung
- Mobilitätseinschränkung
- Auswirkung(en) der Gewalt
- Tod
- Fazit
- Der Betroffene kam mit Lernschwierigkeiten zur Welt und hatte später eine Hirnblutung, durch die er halbseitig gelähmt war.
4. Betroffene*r
- Recherche abgeschlossen?
- Ja
- Persönliche Merkmale
-
- Alter
- 35
- Geschlecht
- Männlich
- Hilfe / Unterstützung
- stationär
- Behinderung / Beeinträchtigung
-
- Blindheit / Sehbehinderung
- Lernschwierigkeit
- Mehrfachbehinderung
- Mobilitätseinschränkung
- Auswirkung(en) der Gewalt
- Tod
- Fazit
- Der Betroffene kam als Frühgeburt zur Welt und hatte eine Hirnschädigung.
5. Betroffene*r
- Recherche abgeschlossen?
- Ja
- Persönliche Merkmale
-
- Alter
- 43
- Geschlecht
- Weiblich
- Hilfe / Unterstützung
- stationär
- Behinderung / Beeinträchtigung
-
- Mehrfachbehinderung
- Mobilitätseinschränkung
- Auswirkung(en) der Gewalt
- körperliche Verletzung
- Fazit
- Die Betroffene war durch zwei Hirninfarkte schwer mehrfachbehindert, konnte sich nicht fortbewegen oder sprachen.
Einrichtung
- Name
- Oberlinhaus
- Institution
- vollstationäre Wohneinrichtung für Menschen mit Behinderungen
- Ort
-
- PLZ
- 14482
- Ort
- Potsdam
- Bundesland
- Brandenburg
- Land
- Deutschland
- Träger
-
- Name
- Verein Oberlinhaus
- Institution
- freier Träger
- Sonstigte Beteiligte (nicht Personen)
- Im Verbund der Diakonie
- Schutzkonzept
-
- Auswertung
-
Es ist unklar, ob zum Tatzeitpunkt ein Gewaltschutzkonzept vorlag. Eine Quelle berichtet davon, dass das Oberlinhaus kein Gewaltschutzkonzept hatte.
Des Weiteren wurde darüber berichtet, dass Angestellte der Einrichtung während des Gerichtsprozesses immer wieder die Pflegeengpässe erwähnten. 2021 verschlechterte sich die Situation so weit, dass an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen im Spätdienst nur zwei Mitarbeitenden für die 20 Bewohner*innen zuständig waren, was Pflegemängel zur Konsequenz hatte.
Mittlerweile gibt es ein öffentlich einsehbares Gewaltschutzkonzept. Die Pressestelle des Oberlinhaus sagt: “Es gibt seit vielen Jahren ein Gewaltschutzkonzept, das nach rechtlichen Vorgaben regelmäßig angepasst wurde und Teil der Hauskonzepte, wie auch ProDema - Präventions- und Deeskalationstraining ist. Derzeit wird das aktuell überarbeitete Konzept mit den Aufsichten das abgestimmt und nach Abschluss veröffentlicht.”
- Öffentlich?
- Ja
- Internetseite
- Schutzkonzept 23/09
Täter*innen
- Recherche abgeschlossen?
- Ja
- Anzahl
- 1
- Fazit
-
Die Täterin war eine langjährige Pflegehelferin in der Einrichtung - sie arbeitete ab 1993 in verschiedenen Bereichen. Sie kannte sowohl die Betroffenen als auch deren Angehörige gut.
Sie habe eine Woche vor der Tat bereits versucht, eine weitere Bewohner*in zu vergiften, und hatte schon seit Jahren Mordgedanken in Bezug auf ihren behinderten Sohn.
1. Täter*in
- Recherche abgeschlossen?
- Ja
- Persönliche Merkmale
-
- Alter
- 51
- Geschlecht
- Weiblich
- Behinderung / Beeinträchtigung
-
- körperlich
- psychisch
- Bezug
- Mitarbeiter*innen der Einrichtung
Folgen für die Täter*in
- Strafrechtliche Folgen
- Haftstrafe
- Zivilrechtliche Folgen
- unbekannt / unklar / unvollständig
- Disziplinarische Folgen
- Kündigung
- Fazit
-
Die Täterin wird wegen vierfachem Mord und schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen sowie wegen versuchten Mordes in drei Fällen mit gefährlicher Körperverletzung und schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen zu 15 Jahren Haft und Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik verurteilt.
Folgen für die Einrichtung
- Maßnahmen der Einrichtung
- Sicherungsmaßnahmen
- Juristische Folgen
- keine
- Fazit
-
Zur Aufarbeitung der Gewalttaten wurde eine Expertenkommission einberufen. Die Expert*innenkommission setzt sich zusammen aus Vertreter*innen der Eingliederungshilfe, Sozialarbeit, Juristik, Dachverbänden, Trägereinrichtungen und Lehre. Im November 2023 publizierte diese Expertenkommission einen Zwischenbericht mit dem Titel Anforderungen an eine bedarfsgerechte Eingliederungshilfe für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf, abrufbar auf der Seite der Einrichtung.
Außerdem sei ein externer Dienstleister beauftragt worden, der Mitarbeiter*innen anonym befragen solle. Eine Auswertung liegt uns nicht vor.
Folgen für die Vorgesetzten
- Strafrechtliche Folgen
- unbekannt / unklar / unvollständig
- Zivilrechtliche Folgen
- unbekannt / unklar / unvollständig
- Disziplinarische Folgen
-
- ausstehend
- Kündigung
- Fazit
-
Die Heimleitung wurde gekündigt, aber hat Klage gegen die Kündigung eingelegt.
Ratgeber
Haben Sie als Mensch mit Behinderung selbst Gewalt erfahren? Sind Sie Angehörige oder Mitbewohner*innen einer behinderten Person, der Gewalt widerfahren ist? Oder sind Sie vielleicht Mitarbeiter*in in einer Einrichtung und haben dort Gewalt mitbekommen? Im ausführlichen Ratgeber sagen wir Ihnen, was Sie tun können – und vielleicht auch müssen.
Meldung
Möchten Sie über Gewalt berichten, die Ihnen oder Ihnen nahestehenden Person widerfahren ist? Sie sind Mitarbeiter*in einer vollstationären Wohneinrichtung für Menschen mit Behinderungen – und haben Gewalt mitbekommen? Sprechen Sie mit uns darüber. Wir gehen allen Fällen nach.